Ob in Talkshows, Zeitungsartikeln oder Stammtischgesprächen – wenn es um Cannabis geht, sind Halbwissen und Mythen oft lauter als fundierte Informationen. Dabei gibt es längst seriöse wissenschaftliche Arbeiten, die zeigen: Viele dieser Vorstellungen halten einer genaueren Prüfung nicht stand. Zeit, mit den populärsten Cannabis‑Mythen aufzuräumen.
1. Einstiegsdroge? Ein Mythos mit langer Geschichte
Seit Jahrzehnten heißt es: Wer Cannabis konsumiert, greift bald zu härteren Drogen. Doch empirische Untersuchungen zeigen, dass der Konsum von Cannabis allein nicht zur Entwicklung einer „Drogenkarriere“ führt. Viel entscheidender sind soziale und psychologische Faktoren – etwa das Umfeld oder persönliche Lebensumstände. Die Idee des „Einstiegs“ ist also weniger eine chemische als eine politische Konstruktion.
2. Cannabis macht sofort sĂĽchtig?
Tatsächlich entwickeln nur etwa 9 % der Konsumenten eine psychische Abhängigkeit – deutlich weniger als bei legalen Substanzen wie Alkohol oder Nikotin. Körperliche Entzugserscheinungen sind selten und mild. Die Vorstellung, Cannabis sei automatisch süchtig machend, stammt weniger aus der Wissenschaft als aus moralischer Panik.
3. Kein medizinischer Nutzen?
Cannabis wird weltweit bei zahlreichen Erkrankungen erfolgreich eingesetzt – z. B. bei chronischen Schmerzen, Multipler Sklerose oder Übelkeit während der Chemotherapie. Dass die therapeutische Wirksamkeit nicht anerkannt sei, ist längst widerlegt. Dennoch hält sich dieser Mythos hartnäckig – nicht zuletzt aufgrund politischer Zurückhaltung bei der Zulassung und Verschreibung.
4. Gehirnschäden durch Kiffen?
Studien mit Jugendlichen zeigen, dass häufiger Konsum Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung haben kann. Doch bei erwachsenen Konsumenten mit moderatem Gebrauch gibt es keine Hinweise auf irreversible kognitive Schäden. Auch hier zeigt sich: Maß und Kontext sind entscheidend.
5. Psychosen durch Cannabis?
Der Zusammenhang zwischen Cannabis und Psychosen ist komplex. Bei Menschen mit einer genetischen Vorbelastung kann Cannabis ein Risikofaktor sein – doch in der Gesamtbevölkerung ist das Risiko sehr gering. Cannabis ist nicht die Ursache, sondern höchstens ein möglicher Auslöser bei entsprechender Anfälligkeit.
6. Kiffer sind unmotiviert und antriebslos?
Das Bild vom lethargischen Kiffer ist ein Klassiker – aber eines, das in der Forschung kaum haltbar ist. Viele Konsumenten sind beruflich und sozial vollkommen integriert. Ein sogenanntes „Amotivationssyndrom“ konnte bislang nicht eindeutig nachgewiesen werden. Was tatsächlich oft fehlt, ist die Differenzierung zwischen Gelegenheitskonsumenten und exzessivem Gebrauch.
7. Cannabis ist gefährlicher als Alkohol?
Diese Annahme steht im krassen Gegensatz zu vielen internationalen Vergleichsstudien. Während Alkohol für Millionen Todesfälle weltweit verantwortlich ist, sind tödliche Überdosierungen durch Cannabis faktisch unbekannt. Auch das Sucht- und Schadenspotenzial wird in der Fachliteratur regelmäßig als geringer eingeschätzt. Dennoch bleibt Cannabis vielerorts verboten – eine Schieflage in der Drogenpolitik.
8. Mehr Kriminalität durch Legalisierung?
In Ländern mit einer liberalen Drogenpolitik konnte kein Anstieg von Jugendkriminalität oder Suchtverhalten festgestellt werden – im Gegenteil: Der regulierte Zugang führt oft zu einem verantwortlicheren Konsum. Der Mythos vom enthemmten Kiffer ist Teil eines gesellschaftlichen Narrativs, das Kontrolle statt Aufklärung zum Ziel hat.
Fazit: Mythen erkennen – Diskussion ermöglichen
Viele Cannabis‑Mythen stammen nicht aus der Wissenschaft, sondern aus Ideologie, Angst oder kulturell geprägten Moralvorstellungen. Wer sachlich über Risiken und Nutzen diskutieren will, braucht wissenschaftlich fundierte Informationen – nicht polemische Schlagworte. Eine aufgeklärte Drogenpolitik beginnt mit der Bereitschaft, überholte Vorstellungen zu hinterfragen.
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📚 Quellenverzeichnis
- Zimmer, L., Morgan, J. P., Bröckers, M. (2006): Cannabis Mythen – Cannabis Fakten.     Eine Analyse der wissenschaftlichen Diskussion. Nachtschatten Verlag.
- Schneider, W. (2006): Drogenmythen in Drogenhilfe, Drogenforschung und             Drogenpolitik. In: INDRO e.V. Münster. PDF online verfügbar
- Thomasius, R. u. a. (2010): Cannabis – Mythen und wissenschaftliche Evidenz. In:       Thieme Connect Artikel
🔍 Disclaimer
Dieser Blogartikel dient ausschließlich der sachlichen Information und Aufklärung. Er ersetzt keine medizinische, rechtliche oder psychologische Beratung. Die Inhalte basieren auf aktuellen wissenschaftlichen Quellen und sollen dazu beitragen, Mythen kritisch zu hinterfragen und eine fundierte Diskussion zu ermöglichen.
Der Konsum von Cannabis kann gesundheitliche Risiken mit sich bringen und ist in vielen Ländern ganz oder teilweise gesetzlich eingeschränkt. Bitte informiere dich über die geltende Rechtslage in deinem Land und konsultiere bei gesundheitlichen Fragen stets qualifiziertes Fachpersonal.